Annahmeverzug

Unter Annahmeverzug ist im Arbeitsrecht die Weigerung des Arbeitgebers zu verstehen, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers anzunehmen, obwohl dieser sie am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise angeboten hat.

Kommt der Arbeitgeber in Annahmeverzug, hat er gemäß § 615 BGB dem Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung zu zahlen, ohne dass dieser die ausgefallene Arbeitszeit nachholen muss. Maßgeblich ist der Bruttoverdienst (also i.d.R. der Monatsverdienst zzgl. Provisionen usw. sowie voraussichtlich zu zahlende Überstunden).

Dabei muss sich der Arbeitnehmer aber einen anderweitigen Verdienst und ersparte Aufwendungen anrechnen lassen. Angerechnet werden die Einkünfte, die der Arbeitnehmer dadurch erzielt, dass seine Arbeitskraft frei wird und er andere Verdienstmöglichkeiten nutzen kann, die als Ersatz für die bisherige Tätigkeit aufgenommen werden.

Bei der Anrechnung werden insbesondere nicht berücksichtigt:

  1. öffentlich-rechtliche Leistungen wie z. B. Arbeitslosengeld,

  2. Einkünfte aus einer bereits bestehenden Nebentätigkeit, solange diese Arbeit wegen des Ausfalls der Hauptarbeit nicht aufgestockt wird,

  3. Unternehmensgewinne aus selbstständiger Tätigkeit, die nicht auf dem Einsatz von Arbeitskraft beruhen, wie z. B. Kapitalerträge.

Die Anrechnung des Zwischenverdienstes erfolgt in Form einer Gesamtbetrachtung für die Dauer des Annahmeverzugs, wobei zugunsten des Arbeitnehmers die Aufwendungen abzuziehen sind, die er im Hinblick auf den Zwischenverdienst gemacht hat, wie z. B. Bewerbungskosten.

Angerechnet wird gemäß § 615 BGB auch der Verdienst, den der Arbeitnehmer "zu erwerben böswillig unterlässt". Gemeint sind damit die Fälle, in denen der Arbeitnehmer eine zumutbare Beschäftigungsmöglichkeit ohne Grund ablehnt.

Neben diesem klassischen Fall des Annahmeverzugs ist der Arbeitgeber gemäß § 615 Satz 3 BGB ebenfalls zur Zahlung der Vergütung verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer wegen einer Betriebsstörung nicht arbeiten kann, d. h. wegen eines Umstands, der der Sphäre des Arbeitgebers zuzurechnen ist. Beispiele für dieses sog. Betriebsrisiko sind behördliche Anordnungen, wie z. B. eine ordnungsbehördliche Quarantäneanordnung, Naturkatastrophen oder Maschinenschäden. Hat aber keine der Vertragsparteien zu vertreten, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann, so verliert er den Anspruch auf Vergütung, § 326 Abs. 1 BGB.

Beispiel:

Der Arbeitnehmer kommt morgens zu spät in den Betrieb, weil er aufgrund von Glatteis nur ganz langsam fahren kann. In diesem Fall hat er keinen Anspruch auf Vergütung der ausgefallenen Arbeitszeit. Er hätte rechtzeitig losfahren müssen.

Einer der wichtigsten Fälle des Annahmeverzugs ist die Pflicht zur Nachzahlung der Vergütung nach Ausspruch einer Kündigung. Hält z. B. der Arbeitgeber die Kündigungsfrist nicht ein oder kündigt er fristlos, ohne einen wichtigen Grund zu haben, so gerät er in Annahmeverzug und muss dem Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist die Vergütung weiterzahlen. Ein besonders hohes Risiko trägt der Arbeitgeber in Kündigungsschutzprozessen. Stellt das Gericht fest, dass die Kündigung unwirksam war und das Arbeitsverhältnis fortbesteht, ist dem Arbeitnehmer der zwischenzeitlich entgangene Verdienst nachzuzahlen. Allerdings muss sich der Arbeitnehmer gemäß § 11 KSchG wiederum einen anderweitigen Verdienst (auch im Falle des böswilligen Unterlassens) und in diesem Fall auch erhaltenes Arbeitslosengeld anrechnen lassen. Nicht dagegen muss er sich wie bei § 615 BGB auch die ersparten Aufwendungen zugutehalten lassen. Das dem Arbeitnehmer gezahlte Arbeitslosengeld wird die Agentur für Arbeit vom Arbeitgeber zurückfordern. In diesen Fällen muss er also sowohl an den Arbeitnehmer den Differenzlohn zwischen Arbeitslosengeld und regulärem Gehalt als auch an die Arbeitsagentur das Arbeitslosengeld zurückzahlen. Keinesfalls darf er den vollständigen Annahmeverzugslohn an den Arbeitnehmer zahlen und ihm die Rückzahlung an die Arbeitsagentur überlassen.